Page 98 - Entlebucher Brattig 2008
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Das Helgestöckli am Ahorn beim Hünigerhof.



                    Ein Baum widersetzt sich                    und abzuschneiden. So eifrig  d ie Arbeiter auch
                                                                losschlugen und gruben, so wenig verrichteten
                    Der Baum steht an der March zwischen Krum-  sie. Äxte und Pickel sollen an den Wurzeln
                    meneggmoos und Hünigerhof, dort wo Fitness-  abgeprallt sein und diese hätten  j eden Schlag
                    und Geopfad von der Strasse weg über die    mit Funken beantwortet. Als der Baumeister
                    Krummenegg abzweigt. Am Baumstamm ist       nach einigen Stunden kein Ergebnis sah und die
                    eine Art Bildstöcklein befestigt mit einem  erschrockenen Arbeiter sich weigerten, weiter-
                    Kruzifix, unter d em in letzter Zeit immer f rische  zumachen, habe man die Geistlichkeit benach-
                    Blumen eingestellt sind.                    richtigt. Der hochwürdige Herr Pfarrer sei gleich
                    Es ist ein Ahorn. Aber die Form ist nicht  d  ie  samt dem Kaplan ausgerückt: die Priester sollen
                    eines  A horns, wie man ihn auf den Bergweiden  befunden haben, den widerständigen Baum
                    am Abhang der Beichlen sieht: breit, mit dicken,  stehen zu lassen, ein Helgestöcklein an seinem
                    ausladenden Ästen  u nd einer runden, mächti-  Stamm zu befestigen und die Strasse rechts an
                    gen Krone. Dieser hier wirkt wie ein Besen, mit  ihm vorbei zu bauen.
                    eher dünnen, aufragenden Ästen und schütte-  Der italienische Baumeister habe auf das nächs-
                    rem  L aub. Es wird  a uch behauptet, dass dieses  te Los verzichtet und sich nie mehr gezeigt.
                    Laub schon bald nach dem Fall verschwinde.
                    Als 1894 die Schattsitestrasse vom Bahnüber-  Josef Lischer, E scholzmatt, *1931, pens. Seminarlehrer.
                    gang bei der Widmematte bis in die Schwändle
                    gebaut wurde, geschah Unheimliches. Der
                    Baum erinnert sich noch daran und Hans
                    Stadelmann sen. vom Wildenfeld weiss die Ge-  1  «Christliche Wegzeichen in der Gemeinde
                    schichte von seinem Vater; der sei nämlich 1892  Schüpfheim», Druckerei Schüpfheim, 2. Auflage
                    in die erste Klasse gegangen und habe alles   2006.
                    mitbekommen…                                2  «Im Reiche der Geister und tanzenden Hexen»,
                                                                  AT Verlag 2002.
       2008         Der Bau der Strasse vom Bahnübergang bei der  3  «Geister, B ann und Herrgottswinkel»,        97
                    Widmematte bis in die Schwändle war 1892
                                                                  Brunner Verlag, Kriens 2000.
       BRATTIG      einem  i talienischen Unternehmer  i n  A  uftrag  4  Lorenz Marti: «Wer hat dir den Weg  g ezeigt?
                    gegeben worden. Sie sollte im Hünigerhof zwi-
                                                                  Ein Hund! Mystik an der Leine des Alltäglichen»,
                    schen Haus und Scheune durchführen. Das
                                                                  Herder Verlag.
       ENTLEBUCHER  wollten die damaligen Besitzer,  l edige Ge-
                    schwister, a uf keinen Fall zulassen. So beschloss
                    man, die Strasse rechts vom Wohnhaus durch-
                    zuführen. Zu diesem Zwecke musste aber ein
                    Ahorn gefällt werden. Der Unternehmer wies
                    sechs Arbeiter an, dessen Wurzeln  a uszugraben
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